Wie Narzissmus entsteht – und warum er kaum veränderbar ist
- Svenja

- vor 6 Tagen
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Kein Mensch wird als Narzisst geboren. Doch manche entwickeln sich dazu – meist aus frühen Verletzungen, aus der Erfahrung, dass Anerkennung wichtiger war als Echtheit. Aber: Narzissmus ist keine Phase.
Es ist eine Persönlichkeitsstörung – tief verankert, strukturell, und vom Betroffenen selbst als „normal“ empfunden. Der Narzisst fühlt sich nicht krank. Er empfindet seine Art zu denken, zu lieben und zu handeln als richtig – und die Welt um ihn herum als falsch.
Die narzisstische Logik: Ich bin, also bist du weniger
Die Psyche eines Narzissten funktioniert nach einem klaren Muster: Um sich selbst zu stabilisieren, muss das Gegenüber abgewertet werden. Nur so kann das brüchige Selbstgefühl aufrechterhalten werden.
Was nach Selbstbewusstsein aussieht, ist in Wahrheit ein ständiges inneres Ringen um Kontrolle. Der Narzisst sucht Spiegel, keine Partner. Er braucht Bestätigung, Bewunderung, Zustimmung – und entzieht genau das, was er selbst nie geben kann: echte emotionale Nähe.

Die Wurzeln von Narzissmus – aber kein Freifahrtschein
Ja, hinter jeder narzisstischen Struktur steht eine Geschichte. Manchmal ist es die des verletzten Kindes –eines Kindes, das gelernt hat, dass Liebe verdient werden muss,das nie erfahren durfte, was bedingungslose Annahme bedeutet.
Und manchmal ist es das genaue Gegenteil: Ein Kind, das zu oft gehört hat, wie außergewöhnlich, besonders oder besser es sei. Ein Kind, das nie Grenzen erfahren durfte –und so nie lernen konnte, dass echtes Selbstwertgefühl aus Erfahrung und Beziehung wächst, nicht aus Bewunderung oder Sonderstatus.
Unsere heutige Erziehung ist dabei oft gut gemeint – und doch manchmal fehlgedeutet. Bedürfnisorientiert zu erziehen heißt nicht, dass es keine Regeln, Grenzen oder Konsequenzen gibt. Und es heißt auch nicht, dass jeder kleine Pups als Ausdruck genialer Großartigkeit gefeiert werden muss.
Kinder brauchen Liebe und Leitplanken. Sie brauchen das Gefühl, gesehen und angenommen zu sein, aber auch die Erfahrung, dass sie nicht die Sonne sind, um die sich alles dreht. Denn wo Überbewertung auf fehlende Reibung trifft, kann ein fragiles Selbst entstehen – eins, das sich später durch Abwertung anderer stabilisieren muss.
Es ist also gut möglich, dass unsere übertrieben lobende, leistungsfixierte und „mein Kind ist perfekt bzw. wenigstens besser als deins“-Kultur eine neue Generation kleiner Narzissten hervorbringt.
Wenn ihr wollt, kann ich dazu gern noch einen eigenen Beitrag schreiben –darüber, wie gesunde Selbstwertentwicklung wirklich entsteht und wo liebevolle Erziehung kippt in Überhöhung. Das würde hier den Rahmen sprengen.
Eine festgefahrene Struktur
Narzissmus gehört zu den Persönlichkeitsstörungen (Cluster B) – das bedeutet, das Verhalten ist dauerhaft, tief verankert und Ich-synton.
Das heißt: Der Narzisst empfindet seinen Charakter, seine Denkweise, seine Handlungen als stimmig mit sich selbst. Darum sucht er auch keine Therapie.
Wenn Narzissten in Behandlung kommen, dann wegen anderer Themen – Beziehungsproblemen, Depressionen, beruflichen Krisen – aber nicht mit dem Bewusstsein: „Ich habe ein Problem mit meinem Verhalten.“
In ihrer Wahrnehmung sind immer die anderen schuld: der Partner, die Familie, das System. Darum ist Veränderung extrem selten. Therapie kann nur greifen, wenn Einsicht da ist – und genau die fehlt hier.
Welche Menschen besonders gefährdet sind
Narzisstische Menschen suchen sich oft Partner*innen mit hohem Einfühlungsvermögen, Loyalität und emotionaler Tiefe. Menschen, die verstehen, halten, heilen wollen.

Menschen, die glauben, dass Liebe alles verändern kann. Aber Liebe heilt keinen Narzissmus .Sie nährt ihn.
Denn jede Nachsicht, jedes erneute Verstehen, jedes „Ich will dir helfen“ füttert das Gefühl von Kontrolle. Darum ist es für Betroffene so wichtig, diesen Mechanismus zu erkennen: Die Liebe, die du gibst, verpufft nicht, sie trifft auf ein System, welches sie nicht empfangen kann.
Unfähigkeit zu echter Liebe
Narzisstische Menschen sehnen sich nach Liebe – aber sie verwechseln sie mit Bewunderung, Kontrolle oder Besitz. Sie können Zuneigung zeigen, ja – doch sie bleibt instrumentell. Sie lieben dich nicht um deiner selbst willen, sondern, weil du ihnen ein Gefühl von Besonderheit gibst. Wenn du aufhörst, dieses Gefühl zu liefern, bist du austauschbar.
Und genau deshalb umgeben sich viele Narzissten mit einem Kreis von „Ja-Sagern“ – Menschen, die sie bestätigen, bewundern, sich anpassen. Ein Umfeld, welches die Illusion ihrer Größe aufrechterhält. Wer sich diesem Spiel entzieht, wer widerspricht oder eigene Grenzen zeigt, wird rasch zum Feindbild.
Solche Menschen werden abgewertet, verbannt oder ersetzt. Das betrifft nicht nur Kolleginnen oder Freundinnen, sondern auch das private Umfeld: Familienmitglieder oder Freundeskreise, die auf Ungereimtheiten hinweisen, werden systematisch ausgegrenzt.
Der Narzisst sorgt dafür, dass die Betroffenen glauben, diese Menschen seien „gegen sie“ –bis kaum noch jemand übrig bleibt, der die Realität spiegelt. So entsteht ein geschlossenes System, in dem nur noch eine Wahrheit gilt: seine eigene.
Die bittere Wahrheit – und die Chance dahinter
Narzissmus kann verstanden, aber kaum geheilt werden. Was Betroffene retten kann, ist Erkenntnis. Klarheit, Grenzen, Distanz.
Der Weg aus dieser Dynamik ist kein Kampf gegen den Narzissten – sondern eine Rückkehr zu sich selbst. Zu dem Teil, der irgendwann angefangen hat zu glauben, dass Liebe sich beweisen müsse.

Ausblick
Im nächsten Beitrag geht es genau darum: Wie Betroffene sich wiederfinden –wie sie ihren Selbstwert stärken, Grenzen setzen und die eigene Energie zurückholen. Denn das ist der Moment, in dem der Bann sich löst: wenn du begreifst, dass du nie zu wenig warst –nur am falschen Ort zu viel gegeben hast.
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Hey, ich bin Svenja. Ich bin Heilpraktikerin für Psychotherapie und Hypnose-Coach – und gemeinsam mit meiner Schwester Giulia habe ich 2020 Freiluftgeflüster gegründet.
Wir begleiten Menschen auf ihrem Weg zu sich selbst –zurück zu mehr Klarheit, innerer Stärke und Vertrauen in die eigene Intuition. Unser Fokus liegt auf Persönlichkeitsentwicklung, Glaubenssatzarbeit, Kinderwunsch, Schwangerschaft und Geburt, aber vor allem auf dem, was uns alle verbindet: der Wunsch, in uns selbst wieder Zuhause zu sein.
Wenn du das Gefühl hast, dich in einer Beziehung – ob partnerschaftlich, familiär oder beruflich –verloren zu haben, dann möchten wir dir zeigen, wie du Schritt für Schritt zu dir zurückfindest.
Denn Heilung beginnt immer da, wo du dich wieder fühlst.







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