Warst du schon einmal so richtig enttäuscht? So krass enttäuscht, dass du diese im ganzen Körper gespürt hast? Ich schon. Häufig. Das letzte Mal ist noch gar nicht so lange her und hat mich hart getroffen. Ein absolut unschönes Gefühl, welches ich tatsächlich in meinem ganzen Körper spüren konnte. Für mich fühlte es sich so an, als ob ich verraten wurde und ein Teil in mir hätte sterben können vor Fassungslosigkeit. Ja, ich war fassungslos und erschüttert.
Wer oder was enttäuscht uns?
Häufig sind es Menschen, die uns nahestehen oder es sind Situationen. Wir haben gewisse Erwartungen, die wir selbst stellen oder uns werden Informationen zugetragen, die eine Annahme in uns schüren. Ob nun bewusst oder unbewusst, spielt hierbei keine Rolle.
Deine Erwartungen fixieren sich und brennen sich in deinem Kopf ein. Es ist sicherlich neben der Erwartungshaltung auch Hoffnung, die uns schlussendlich begleitet. Werden die Erwartungen und Hoffnungen nicht erfüllt, sind wir enttäuscht. Enttäuscht von dem Ausgang der Situation oder eben auch enttäuscht von der Person, in welche wir so große Hoffnungen gesetzt hatten.
Demnach zerbrechen zumeist nämlich nicht Herzen, sondern einfach unsere Erwartungen. Lese auch gerne Giulias Beitrag zum Thema Erwartungen. Er ist wirklich eine Bereicherung.
"Es gibt kaum eine größere Enttäuschung, als wenn du mit einer recht großen Freude im Herzen zu gleichgültigen Menschen kommst."
Christian Morgenstern
Enttäuschung ist eine Chance und nicht der Untergang.
Ich habe viele Menschen in meinem Leben, mit denen ich gerne spreche und die mir einen neuen Blickwinkel ermöglichen. Ich liebe es, wenn ich von solchen Dates heimkomme und in meinem Kopf Gedanken über Gedanken schwirren, die ich sortieren kann und so neue Wege aufgezeigt bekomme, die mir andernfalls vielleicht verschlossen geblieben wären.
So kam es, dass mein guter Freund H. mir gesagt hat, dass es für ihn gar nicht schlimm ist, enttäuscht zu sein. Mich hat das total irritiert. Seine Erklärung hat mich zum Nachdenken gebracht und ich finde seinen Ansatz toll. Er sagte mir: „Svenja, sieh es doch mal so, dass eine Enttäuschung etwas Positives ist. Es ist das Ende einer Täuschung und dir offenbaren sich dadurch völlig neue Möglichkeiten. Du bist in der Situation und deiner Hoffnung und Erwartung nicht mehr gefangen, sondern frei.“
Das hat gesessen. Kennst du das, wenn du über ein Thema tausend Male nachgedacht hast und auf einmal kommt so ein Satz und es ist, als ob sich der Schleier hebt? So war das bei mir. Ich schätze meinen Freund sehr, denn mit seiner Lebenserfahrung gibt er auch mir Chancen, Dinge neu bewerten zu dürfen.
In jedem Ende steckt auch ein Anfang.
Jedes Ende ist auch ein Anfang. Der Anfang von etwas Neuem. Vielleicht etwas Großem oder etwas ganz Kleinem, was langsam zu wachsen beginnt. Du darfst natürlich traurig sein um das Vergangene, doch mit dem Ende der Täuschung und dem Anfang beginnt auch ein Stück mehr Wahrheit.
Ich bin davon überzeugt, dass eine Enttäuschung immer etwas für uns bereithält. Eines meiner liebsten Gedichte ist von Hermann Hesse. In seinem Gedicht „Stufen“ schrieb er: „Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne.“
Lass dir also den Zauber nicht nehmen und fühle dich frei. Ich habe dir das Gedicht beigefügt, weil ich es so liebe. Lese es gern und nimm die Bedeutung für dich auf.
Liebe und Zauber für dich.
Svenja
Stufen
Wie jede Blüte welkt und jede Jugend Dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe,
Blüht jede Weisheit auch und jede Tugend
Zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern.
Es muss das Herz bei jedem Lebensrufe Bereit zum Abschied sein und Neubeginne, Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern In andre, neue Bindungen zu geben.
Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, Der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.
Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten, An keinem wie an einer Heimat hängen, Der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen, Er will uns Stuf‘ um Stufe heben, weiten.
Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise Und traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen, Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise, Mag lähmender Gewöhnung sich entraffen.
Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde Uns neuen Räumen jung entgegensenden, Des Lebens Ruf an uns wird niemals enden… Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!
Hermann Hesse